Gewinnt Ballbesitzeffizienz Spiele?

In diesem Artikel soll untersucht werden, inwiefern Ballbesitz und Ballbesitzeffizienz einen Einfluss auf Spielergebnisse in der Bundesliga haben. Hierzu habe ich die 306 Spiele der Saison 17/18 untersucht, um so 612 Datensätze zu erhalten.1 Die Kennzahl „Ballbesitzeffizienz“ habe ich bereits in meinen Artikeln zur Jugendarbeit des FC Barcelona2 und zur Leistung der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 20183 verwendet. Diese misst, wie effizient ein Spieler mit dem Ball umgeht und wird durch den Anteil der „guten“ Ballkontakte an der Gesamtzahl derer gebildet. Daher vermute ich, dass sie sich besonders für Teams eignet, die einen ballbesitzorientierten Fußball spielen. Allerdings lässt sich keine Aussage über die Produktivität dieses Ballbesitzes treffen. Heißt, die Trefferquote, die Leistung in der Defensive und auch die Geschwindigkeit sind unabhängig von dieser Größe.

Korrelation zwischen Ballbesitz und Punkten

Um jetzt also zur etwas provokant aufgeworfenen Frage zurück zu kommen: „Gewinnt Ballbesitz Spiele?“ Ganz klar NEIN! Der Korrelationskoeffizient zwischen der Prozentzahl Ballbesitz und Punkten beträgt -0,0059, liegt also ungefähr bei 0. Doch gerade dazu soll ja die Ballbesitzeffizienz dienen, um zu messen, ob denn effizient mit dem Ball umgegangen wird. Korreliert also ein effizienter Umgang mit dem Ball mit Punkten? Auch hier gilt, nein. Der Korrelationskoeffizient zwischen der Ballbesitzeffizienz und Punkten beträgt 0,0400, ist also auch nicht signifikant. Hierbei wurde allerdings ein grundlegendes, mathematisches Problem deutlich. Durch die 3-Punkte-Regel, die in der Saison 95/96 eingeführt wurde, um das Spielen auf Sieg zu belohnen, werden Siege, relativ gesehen zu Niederlagen, überbewertet.4 Die folgende Grafik belegt dieses Dilemma (auf der X-Achse ist die Tordifferenz dargestellt.):

Verteilung der Punkte

Um also ein genaueres Bild der Spielergebnisse zu bekommen, habe ich noch die Tordifferenz verwendet. Bei einer Korrelation zwischen der Ballbesitzeffizienz und der Tordifferenz wurde ein Koeffizient von 0,1013 erzielt. Und auch zwischen Ballbesitz und Tordifferenz steigerte sich der Korrelationskoeffizient auf einen Wert von 0,1037. Allerdings sind dies allesamt keine wirklich bedeutenden Werte.
Hierbei wird ein anderes Problem deutlich. Zur grafischen Darstellung habe ich die Differenz aus eigener und gegnerischer Ballbesitzeffizienz mit der Tordifferenz korreliert. Hier beträgt der Korrelationskoeffizient 0,1358.

PossEffDiff vs GDiff

Es zeigt sich, wie enorm Fußballdaten rauschen. Aufgrund der vielen Einflussgrößen auf ein Ergebnis lässt sich keine einfache Ursache-Wirkung-Korrelation feststellen. Denn wie oben erwähnt, „ignoriert“ die Ballbesitzeffizienz die Trefferquote, die Leistung in der Defensive und auch die Geschwindigkeit der Teams.

Korrelation der Ballbesitzeffizienz mit dem Tabellenplatz

Also habe ich, um die Streuung, im Sinne der Regression zur Mitte im Rahmen des Gesetzes der großen Zahlen, zu minimieren, die Saisondurchschnitte der einzelnen Teams betrachtet und mit der Tabellenposition verglichen.
Allgemein gilt ja, dass „größere“, also bekanntere, ja auch reichere, favorisierte Teams mehr Ballbesitz haben. Doch besteht auch ein Zusammenhang zwischen Ballbesitz und Tabellenposition? Die nachfolgende Tabelle zeigt den durchschnittlichen Ballbesitz jedes Teams, den Rang dieses Ballbesitzes und der Tabellenposition.

BallbesitzTabellenplatzRang Ballbesitz
FCB66.511
S0446.5558824214
TSG51.361764736
BVB59.642
LEV54.091176554
RBL55.176470663
VfB46.4147059715
FRA47.779411889
GLA52.282352995
HBB46.851012
WER47.20294121111
FCA45.00588241216
H9646.74705881313
M0544.14117651418
SCF44.61517
VfL49.3941176167
HSV48.8735294178
1.FC47.41176471810

Dadurch ergibt sich beim Rangkorrelationskoeffizient ein Wert von 0,4696. Es stimmt also, dass Ballbesitz, über eine Saison gesehen, einen größeren Einfluss auf die Tabellenposition hat, als Ballbesitz auf das Ergebnis eines Spieles hat.
Als nächstes soll noch die Ballbesitzeffizienz mit der Tabellenposition verglichen werden.

BallbesitzeffizienzTabellenplatzRang Ballbesitzeffizienz
FCB0.8556211
S040.7594628
TSG0.7848934
BVB0.7941642
LEV0.7898553
RBL0.7620567
VfB0.74198710
FRA0.72701813
GLA0.7839495
HBB0.741691011
WER0.74275119
FCA0.707361217
H960.717921315
M050.709691416
SCF0.724031514
VfL0.77158166
HSV0.694051718
1.FC0.741441812

Hierbei ergibt sich ein Rangkorrelationskoeffizient von 0,7193. Dadurch lässt sich ein Bestimmtheitsmaß von 0,5174 ableiten. Das heißt, dass sich durch die Kennzahl des effizienten Ballbesitzes 51,74% der Abschlusspositionen in der Tabelle erklären lassen.

Quartilseinteilung

Um nun die These, dass besonders ballbesitzorientierte Teams von einer guten Ballbesitzeffizienz profitieren, zu untersuchen, habe ich die Datensätze in 5 ungefähr gleich große Quartile eingeteilt. Hierbei habe ich die Ballkontakte verwendet. Die 122 Spiele mit den meisten Ballkontakten sind beispielsweise im oberen Quartil (dunkelgrün) und die 122 Spiele mit den wenigsten Ballkontakten im unteren Quartil (rot).

Quartilsverteilung

Diese Verteilung verrät einiges über den Spielstil der jeweiligen Mannschaft. Es zeigt sich, wie stark der FC Bayern die Liga dominiert. So befinden sich 29 der 34 Spiele im obersten Quartil. Darüber hinaus können Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen, RB Leipzig und Borussia Mönchengladbach als ballbesitzorientierte Teams bezeichnet werden. Als defensiv eingestellte Teams können vor allem der FC Augsburg, Mainz 05, der SC Freiburg, aber auch der VfB Stuttgart und Eintracht Frankfurt bezeichnet werden.
Auf diese Quartile wurden nun diverse Korrelationen angewendet. Hierbei ergab sich folgende Tabelle:

PossEff vs GDiffPossEff vs GFPossEff vs GA
1. Quartil-0.018368930.049299210.06531488
2. Quartil-0.000672350.135283860.13742648
3. Quartil-0.003390250.245595230.21973106
4. Quartil-0.046718930.083808270.12474666
5. Quartil0.450504610.47667121-0.19132789

Es zeigt sich, wie erwartet, dass der Zusammenhang zwischen der Ballbesitzeffizienz und der Tordifferenz für die unteren und mittleren Quartile beinahe nicht existent ist. Im Gegenzug aber eine hohe Korrelation im obersten Quartil besteht. Genauso besteht im obersten Quartil eine Korrelation zu den geschossenen Toren, aber auch einen negativen Zusammenhang zwischen der Ballbesitzeffizienz und den Toren, die der Gegner schoss. Das heißt, dass eine gute Ballbesitzeffizienz dafür sorgt, dass der Gegner weniger Tore schießt. Die Theorie dahinter ist, dass durch eine hohe Ballbesitzeffizienz dem Gegner weniger Möglichkeiten zum Kontern eröffnet werden. Ballbesitzeffizienz ist also auch eine defensive Kennzahl. Deshalb verwundert es auch, dass die Korrelationen in den mittleren Quartilen zu den gegnerischen Treffern positiv ist.

Fazit

Ballbesitz gewinnt keine Spiele. Eine hohe Ballbesitzeffizienz auch nicht. Es lässt sich aber aus dem Durchschnittswert der Ballbesitzeffizienz auf einen Zusammenhang zur Tabellenposition schließen. Zudem zeigt sich, dass die Vermutung, die Ballbesitzeffizienz sei vor allem für Mannschaften mit hohem Ballbesitzfokus relevant, zutrifft.

1. Alle Daten von https://www.whoscored.com/Regions/81/Tournaments/3/Seasons/6902/Germany-Bundesliga
(abgerufen am 07.10.18)

2. http://analysemithirn.de/2017/08/25/barca-schafft-sich-ab/
(abgerufen am 07.10.18)

3. http://analysemithirn.de/2018/08/12/loew-muss-weg-oder-doch-nicht/
(abgerufen am 07.10.18)

4. https://de.wikipedia.org/wiki/Punkteregel
(abgerufen am 07.10.18)