Bei der Datenanalyse zu meinem letzten Artikel „Die Null muss stehen“1, bei dem untersucht wurde, inwiefern ein Zusammenhang zwischen dem Vereitelungsindex und den Punkten einer Mannschaft besteht, ist mir folgendes aufgefallen: Der Vereitelungsindex, also das Verhindern gegnerischer Offensivaktionen, nimmt im Saisonverlauf ab. In der folgenden Grafik ist der durchschnittliche Vereitelungsindex eines jeden Spieltages im Saisonverlauf dargestellt.
Sicherlich besteht hier, bei einem Bestimmtheitsmaß von 0,2764, kein besonders großer Zusammenhang. Allerdings waren unterschiedliche Teams unterschiedlich stark betroffen. In meiner Wahrnehmung waren besonders Teams betroffen, die wenig rotieren. Daher die These „Geringe Rotation führt zu einem Nachlassen der Defensivleistung im Saisonverlauf“.
Das Rotationsmaß
Um nun den Umfang der Rotation der Bundesligamannschaften zu messen, nutzte ich eine Kennzahl, die ich bereits in meinem ersten Artikel zur Krise der Bayern unter Ancelotti verwendet hatte.2 Als Daten dienen die gespielten Minuten eines jeden Spielers in der Bundesligasaison 17/18.3 Das Hirn´sche Rotationsmaß wird berechnet, indem der Gini-Koeffizient für eine hypothetische durchschnittliche Kadergröße von 27 Spielern berechnet wird, und mithilfe des Quotienten aus tatsächlicher und hypothetischer Kadergröße normiert wird. Ein geringes Rotationsmaß steht dafür, dass viel rotiert wurde. Warum diese Art der Berechnung notwendig ist, zeigen die nachfolgenden Grafiken.
Während bei einem klassischen normierten Gini-Koeffizient Mannschaft mit einer größeren Anzahl eingesetzter Spieler automatisch mehr rotiert hätten, sorgt das Hirn’sche Rotationsmaß dafür, dass Rotation unabhängig von der reinen Kadergröße gemessen wird. Wenn also die immergleichen 11 Spieler den Großteil aller Minuten absolvieren, wird dies bei einer Mannschaft mit insgesamt vielen eingesetzten Spielern ähnlich gewertet, wie bei einer Mannschaft, die einen kleinen Kader zur Verfügung hatte.
Es ergibt sich hierbei für die Bundesliga folgendes Bild:
An der Spitze der Rotationstabelle stehen Borussia Dortmund und Mainz 05, die auch schon in der Saison 16/17 am meisten rotierten. Außerdem haben der 1.FC Köln, RB Leipzig und Hertha BSC Berlin viel rotiert. Wobei beim 1. FC Köln aufgrund der vielen Verletzungen davon auszugehen ist, dass dies nicht ganz freiwillig geschah.4 RB Leipzig rotierte bedeutend mehr als in der Vorsaison, als man am zweitwenigsten in der Liga rotierte. Ebenso die Hertha. Der FC Bayern steht hier überraschend weit hinten. Dies unterstreicht, dass Jupp Heynckes in seiner Zeit als Interimstrainer eher auf eine eingespielte Elf setzte.
Besonders wenig rotierten Borussia Mönchengladbach, der FC Augsburg und Werder Bremen. Bremen und Augsburg gehörten auch in der Vorsaison zu den Mannschaften, die am wenigsten rotierten. Eintracht Frankfurt, das in der Vorsaison noch am wenigsten rotierte, findet sich in der Saison 17/18 im Mittelfeld der Rotationstabelle wider.
Zusammenhang zwischen der Rotation und dem Vereitelungsindex
Als nächstes soll die Veränderung des Vereitelungsindexes im Saisonverlauf gemessen werden. Hierzu habe ich den Steigungskoeffizient der Regression einer jeden Mannschaft verwendet.
Die Mehrheit der Mannschaften in der Bundesligasaison 17/18 ließen im Laufe der Saison beim Vereitelungsindex nach. Lediglich der FSV Mainz 05, Eintracht Frankfurt, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen, der FC Schalke und Borussia Mönchengladbach verbesserten sich. Zudem sticht die starke Verschlechterung des 1.FC Köln und des VfL Wolfsburg ins Auge und spiegelt den Saisonverlauf beider Teams wider.
Schlussendlich soll die Korrelation zwischen der Veränderung des Vereitelungsindex und des Rotationsmaßes bestimmt werden. Folgende Grafik stellt dies dar:
Es zeigt sich, dass kein Zusammenhang zwischen dem Rotationsmaß und der Veränderung des Vereitelungsindexes besteht. Würde man die beiden Ausreißer 1.FC Köln und Borussia Mönchengladbach ignorieren, würde der Korrelationskoeffizient 0,3757 betragen. Da diese Ausreißer allerdings existieren, ist dies ein wunderbares Beispiel für den Bestätigungsfehler (engl.: confirmation bias).5
„Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, Muster zu erkennen.“6 Aber so geschehen auch immer wieder Fehler und falsche Annahmen werden als Wahrheiten verkauft, da Einzelereignisse dies belegen. Ich selbst dachte, dass ein leichter Zusammenhang zwischen der Veränderung des Vereitelungsindexes und der Rotation einer Mannschaft bestünde. Ohne diese Untersuchung wäre also diese These nie widerlegt worden. Genau aus diesem Grund, ist die Datenanalyse im Fußball so wichtig. Narrative entstehen auf der Grundlage überbewerteter Einzelereignisse, da Sport im Allgemeinen und der Einfluss einzelner Faktoren auf Sieg und Niederlage zu komplex sind, als dass ein Mensch dies intuitiv erfassen könnte. Es braucht Datenanalyse um das große Ganze, das „Big Picture“ wahrzunehmen.
1. http://analysemithirn.de/2018/11/11/die-null-muss-stehen/
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2. http://analysemithirn.de/2017/08/18/das-ancelotti-problem/
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3. Alle Daten von https://www.transfermarkt.de/1-bundesliga/startseite/wettbewerb/L1/plus/?saison_id=2017
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4. https://www.transfermarkt.de/1-fc-koln/ausfallzeiten/verein/3/plus/1?reldata=L1%262017
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5. https://blogs.scientificamerican.com/guest-blog/cognitive-biases-in-sports-the-irrationality-of-coaches-commentators-and-fans/
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6. http://www.tagesanzeiger.newsnetz.ch/wissen/wir-sind-alle-aberglaeubisch/story/20867547
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