„Der macht doch alles alleine!“

Jeder Fußballfan kennt Aussagen wie “Spieler X ist die Schaltzentrale seiner Mannschaft“ oder „Das Spiel der Mannschaft läuft nur über Spieler X“. Als ich letztens das Buch „Soccermatics“ las, stieß ich auf folgenden Abschnitt:

“The second measure was of network centrality. […] Thomas settled on the following approach. He added up all the passes each player received and made, and compared these totals with the number of passes made by the player involved in the most passes. For example, in the Italy network above, Pirlo received the ball 78 times from the other seven players connected in the network. The second-most-passed player, Riccardo Montolivo, received it 39 times. So Montolivo received the ball on 78 – 39 = 39 fewer occasions than Pirlo. The average of these differences over all players divided by the total number of passes made gives a number between 0 and 1. If all the passes had been made to Pirlo, this number would be 1, while if all the players had received the ball exactly the same number of times then it would be 0.”1

Der Autor David Sumpter stellt hier eine Methode zur Messung der obigen Aussage vor. Diese Methode kommt ursprünglich aus der empirischen Sozialforschung und wurde dort „zur Erfassung und Analyse sozialer Beziehungen und sozialer Netzwerke“ verwendet.2

Mithilfe der Netzwerkzentralität lässt sich messen, inwiefern denn das Spiel einer Mannschaft gleichmäßig über alle Spieler verteilt ist, oder ob Einzelne oder ein Einzelner sehr dominant das Spiel prägen. Hierzu benötigt man die Anzahl der Anspiele, die ein Spieler erhält. Diese Daten stehen mir zwar nicht zur Verfügung, aber mit der Summe aus gespielten Pässen, Schüssen, verlorenen Dribblings (da bei gewonnenen Dribblings eine Folgeaktion ausgeführt wird), unsauberen Ballannahmen, Ballverlusten, Abseitsstellungen und Fouls an dem Spieler lässt sich dies zumindest annähernd bestimmen. Wenn man hiervon noch die Anzahl der ausgeführten Freistöße und Abschläge, sowie der Fouls abseits des Balles abziehen würde, hätte man die tatsächliche Zahl. 3

Allerdings macht die Netzwerkzentralität keine Aussagen darüber, ob diese Verteilung der Ballkontakte für die jeweilige Mannschaft vorteilhaft ist. Dies drückt die Ballbesitzeffizienz aus. Besonders bei Mannschaften, die über einzelne starke Spieler verfügen, kann es von Vorteil sein, diese auch besonders oft in Ballbesitz zu bringen. Plakatives Beispiel hierfür ist sicherlich Werder Bremen in der Rückrunde, wo Max Kruse die Schlüsselrolle im Spielsystem von Florian Kohfeldt einnimmt.4

Netzwerkzentralität

Für diesen Artikel wurde nun aber zunächst die Hinrunde der Bundesligasaison 2017/2018 untersucht. Hierbei kam ich zu folgendem Ergebnis:

Netzwerk-Zentralität

Wie erwartet steht der FC Bayern mit der geringsten Netzwerkzentralität an der Spitze. Bei der in München gegebenen Qualität ist es von Vorteil alle 11 Spieler am Ballbesitz teilhaben zu lassen. Auch Schalke 04 und Bayer Leverkusen stehen mit neuen Trainern weit vorne. Auch bei diesen beiden Vereinen scheint es Strategie zu sein, die vorhandene Kaderdichte optimal zu nutzen. Etwas überraschend für mich steht auch der VfL Wolfsburg in dieser Rangliste ziemlich weit oben. Zwar hat der VfL auch eine hohe Qualität, aber mein subjektiver Eindruck war, dass in Wolfsburg der Ball nicht in dieser Form verteilt wird. Es wird interessant zu beobachten sein, inwiefern sich dies in der zweiten Saisonhälfte geändert hat.
Das oben erwähnte Bremen stand unter Alexander Nouri in der Hinrunde im Mittelfeld dieser Tabelle.

Eine hohe Netzwerkzentralität weisen jeweils Mannschaften mit einem tiefen Spielmacher auf. In Augsburg ist dies Daniel Baier, in Leipzig Diego Demme, in Hannover Pirmin Schwegler oder Salif Sané und in Köln Jonas Hector oder Matthias Lehmann. Daher ließe sich auch leicht vermuten, dass in Dortmund die Sechserposition mit Julian Weigl oder Nuri Sahin für einen derartigen hohen Wert verantwortlich ist. Dies ist allerdings nicht der Fall. Beim BVB ist es vielmehr so, dass in vielen Spielen die Sturmreihe im 4-3-3 vom Rest der Mannschaft abgeschnitten ist, wodurch dieser Wert zustande kommt. Auch hier wird es sicher interessant sein, ob dies in der Rückrunde immer noch der Fall ist.

Unterbindungsindex

Mithilfe der Netzwerkzentralität lässt sich auch bestimmen, ob das Pressing einer Mannschaft, sofern es denn zum Ziel hat die Spielanteile der gegnerischen Mannschaft zu einzelnen Spielern zu lenken, erfolgreich ist. Hierzu wurde jeweils die Netzwerkzentralität des gegnerischen Teams durch dessen Mittelwert geteilt und hiervon der Durchschnittswert gebildet. In Ermangelung eines besseren Begriffs nenne ich dies den Unterbindungsindex.

Unterbindungsindex

Freiburg steht hier mit einigem Abstand an der Spitze. Christian Streichs Mannschaft schafft es also regelmäßig das gegnerische Spiel auf einzelne Spieler zu beschränken. Auch Hertha, Leverkusen und Dortmund weisen hier gute Werte auf.
Etwas überraschend hat Leipzig hier einen Wert von nahezu 0, hat Leipzig doch den Ruf mit extremen Pressing zu spielen. Offenbar hat dieses Pressing in der Hinrunde nicht gut funktioniert. Auch Wolfsburg, Hannover und der HSV verändern die Statik der gegnerischen Mannschaft kaum.
Besonders Hoffenheim und Frankfurt weisen hohe negative Werte auf. Gegner dieser beiden Teams haben also im Mittel eine gleichmäßigere Verteilung als gegen andere Mannschaften.

Ballbesitzkorrelation

Zum Schluss soll noch untersucht werden, ob sich in der Hinrunde der Saison 2017/2018 in der Bundesliga eine Tendenz gebildet hat, dass mehr Ballbesitz auch zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Spielanteile führt. Hierbei entstand folgende Grafik:

Ballbesitzregression

Es besteht eine leichte Tendenz hierzu, diese lässt sich allerdings mit den drei Ausreißern am linken Rand erklären. Netzwerkzentralität hängt also nicht von den Spielanteilen ab.

Im Mai soll dann ein zweiter Teil zu diesem Artikel erscheinen, in dem die Rückrunde der Bundesligasaison 2017/2018 thematisiert wird. Dabei möchte ich auch noch besonders auf Teams eingehen, die in der laufenden Saison ihren Trainer gewechselt haben.

1. Sumpter, David: Soccermatics – Mathematical adventures in the beautiful game, Bloomsbury, London, 2017

2. https://de.wikipedia.org/wiki/Soziale_Netzwerkanalyse (abgerufen am 15.04.2018)

3. Alle Daten von https://www.whoscored.com/ (abgerufen am 15.04.2018)

4. https://www.weser-kurier.de/werder/werder-bundesliga_artikel,-der-plan-mit-kruse-_arid,1705741.html (abgerufen am 15.04.2018)

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