Netzwerkzentralität, die Zweite!

Nachdem im ersten Teil die Netzwerkzentralität der Bundesligamannschaften in der Hinrunde 17/18 untersucht wurde, soll nun die Rückrunde analysiert werden.1  Methodisch bleibt alles gleich. Es wird über die Summe aus gespielten Pässen, Schüssen, verlorenen Dribblings (da bei gewonnenen Dribblings eine Folgeaktion ausgeführt wird), unsauberen Ballannahmen, Ballverlusten, Abseitsstellungen und Fouls an dem Spieler die Anzahl der Anspiele, die ein Spieler erhält, angenähert.2 Um die beiden Halbserien bestmöglich vergleichen zu können, wurde die Sortierung der Hinrunde beibehalten. Hierbei entstand folgende Grafik:

01_Netzwerkzentralität_Gegenüberstellung_Hin-_und_Rückrunde

Die größte Veränderung weisen Hamburg, Köln, Schalke und Freiburg auf. Auf Schalke hat sich die Netzwerkzentralität erhöht. Das Spiel wurde also stärker auf einzelne Spieler fokussiert. Bei den anderen drei Teams wurde der Ballbesitz eher sozialisiert. In Hamburg und Köln gab es in der laufenden Saison auch einen (oder mehrere) Trainerwechsel, was aber nicht automatisch für eine Änderung der Netzwerkzentralität sorgt.3 Dies zeigen die vier Teams mit der geringsten Änderung in der Netzwerkzentralität, Leipzig, Bremen, Gladbach und Bayern, von denen auch zwei in der Saison eine Veränderung auf der Trainerbank durchführten. Auf diesen Punkt wird später noch genauer eingegangen.

Über die gesamte Saison gesehen, ergibt sich folgende Rangfolge:

02_Netzwerkzentralität_Gesamt

Und für diejenigen, die Tabellen mögen:

HinrundeRückrundeGesamtDifferenz
Leipzig0.10180.09910.10050.0027
Bremen0.08260.07870.08070.0039
Gladbach0.07500.07900.07700.0040
Bayern0.06570.07030.06800.0046
Hannover0.09350.08840.09090.0051
Wolfsburg0.06680.07190.06930.0051
Hoffenheim0.08140.08670.08400.0053
Dortmund0.09020.08380.08700.0064
Stuttgart0.07640.08410.08030.0077
Mainz0.07450.08270.07860.0081
Hertha0.08340.07530.07940.0081
Frankfurt0.08900.08080.08490.0082
Augsburg0.10560.09710.10130.0085
Leverkusen0.07390.06450.06920.0094
Freiburg0.08380.07130.07750.0125
Schalke0.07220.08480.07850.0126
Köln0.09280.08020.08650.0126
Hamburg0.08930.06850.07890.0208
0.08320.08040.0818

Es gilt weiterhin die Interpretation der Hinrunde: Eine hohe Netzwerkzentralität weisen Teams auf, die mit einem zentralen, tiefen Spielmacher spielen, also einem deeplying-playmaker oder Regista, oder vereinzelt einem Innenverteidiger, der diese Aufgabe übernimmt. Im Gegensatz dazu weisen vor allem Mannschaften, die einen hohen Wert auf die Beteiligung und Spielanteile der Stürmer legen, einen niedrigen Netzwerkzentralitätswert auf. Die Netzwerkzentralität ist somit vorrangig geeignet den Spielstil einer Mannschaft zu messen und sagt zunächst einmal weniger über das Leistungsvermögen einer Mannschaft aus.

Unterbindungsindex

Analog gilt dies für den Unterbindungsindex, der den Spielstil eines Teams gegen den Ball beschreibt. Zum Vergleichen wurde erneut die Sortierung der Hinrunde beibehalten:

04_Unterbindungsindex_Gegenüberstellung_Hin-_und_Rückrunde

Als erstes springt sicherlich die Veränderung von RB Leipzig ins Auge. Leipzig wies in der Rückrunde den höchsten Unterbindungsindexwert aller Bundesligisten auf und schob sich sogar an Freiburg vorbei. Dies entspricht auch mehr dem Selbstverständnis bzw. der Philosophie der Leipziger, die ja ein aggressives Pressingteam sein wollen. Eine massive Veränderung haben zudem die Hertha und Leverkusen zu verzeichnen. Von einer der führendsten Pressingmannschaften zu einem Team mit negativem Unterbindungsindex. Meiner Meinung nach nicht beabsichtigt.

Für die gesamte Bundesligasaison 2017/2018 ergibt sich dann:

05_Unterbindungsindex_Gesamt

Die Bundesliga lässt sich also quasi in drei gleich große Gruppen einteilen. Die 6 Mannschaften links sind die eher abwartenden Teams, die nächsten 6 die gemäßigten Teams, ohne besonderen Einfluss auf die Ballverteilung des Gegners, und die 6 Mannschaften rechts sind die Pressingteams der Bundesliga.

Zur besseren Übersicht noch eine Tabelle:

HinrundeRückrundeGesamtDifferenz
Wolfsburg-0.0186-0.0186-0.01850.0000
Hannover-0.0002-0.0027-0.00360.0025
Gladbach-0.0939-0.1044-0.09830.0105
Augsburg-0.0738-0.0974-0.08630.0236
Hamburg0.0255-0.00900.01040.0346
Freiburg0.25520.21930.23070.0359
Bayern0.09810.05920.08680.0389
Frankfurt-0.1604-0.1119-0.13960.0485
Bremen-0.1009-0.0498-0.07960.0511
Mainz-0.0859-0.0148-0.05460.0711
Dortmund0.15200.08070.12130.0712
Schalke-0.07370.0348-0.01660.1085
Köln0.0692-0.0728-0.00300.1420
Hoffenheim-0.2100-0.0571-0.13830.1528
Stuttgart-0.06450.09290.01040.1574
Hertha0.1603-0.05810.05150.2185
Leipzig0.00870.23980.13030.2311
Leverkusen0.1534-0.08970.03810.2431
0.00230.00220.0023

Untersuchung der Trainerwechsel in der Hinrunde

Zum Schluss soll nun der Fokus noch auf die Mannschaften gelegt werden, die in der laufenden Saison einen Trainerwechsel vollzogen. Von der ersten Trainerentlassung der Saison war Andries Jonker beim VfL Wolfsburg betroffen. Er wurde durch Martin Schmitt ersetzt, der wiederum in der Rückrunde freiwillig das Amt des Trainers aufgab, welches von Bruno Labbadia übernommen wurde.

07_VfL Wolfsburg

Es zeigt sich, dass in Wolfsburg ein ziemlich radikaler Philosophiewechsel vollzogen wurde. Während Andries Jonker auf Pressing aus war, sind beide Nachfolger eher abwartende Trainertypen, die dementsprechend einen niedrigen Unterbindungsindex aufweisen. Zudem hat sich die Netzwerkzentralität mit jedem Trainerwechsel gesteigert. Es wurde also ein immer größerer Druck auf einzelne Schlüsselspieler gelegt. Am Ende hat das am letzten Spieltag knapp für die Relegation gereicht.

Der zweite Trainerwechsel fand beim FC Bayern statt. Carlo Ancelotti wurde durch Jupp Heynckes ersetzt. Willy Sagnol, als Interimstrainer, wird der Vollständigkeit halber auch aufgezählt.

08_FC Bayern München

Dessen Unterbindungsindexwert kann, bei nur einem Spiel, sicherlich als Ausreißer betrachtet werden. Interessanterweise hat sich bei der Netzwerkzentralität bei allen Trainern wenig verändert. Der Unterschied ist im Unterbindungsindex zu finden. Während Carlo Ancelotti ein Befürworter des eher abwartenden Verteidigungsstiles ist, hat Jupp Heynckes augenscheinlich am Pressing gearbeitet und weist dementsprechend einen guten, wenn auch nicht überragenden, Unterbindungsindexwert auf.

Der chronologisch nächste Wechsel eines Übungsleiters fand in Bremen statt. Alexander Nouri wurde durch Florian Kohfeldt ersetzt.

09_Werder Bremen

Wie bereits im ersten Teil angeteasert, hat Kohfeldt mit Max Kruse einen Schlüsselspieler in seinem System, der einen Großteil der Ballkontakte im Team haben soll. Unter diesem Aspekt fällt die Änderung in der Netzwerkzentralität relativ gering aus. Im Spiel gegen den Ball hat Florian Kohfeldt wenig ändern können und weist im Unterbindungsindex kaum einen Unterschied gegenüber seinem Vorgänger auf. Erstaunlicherweise hat Bremen in der Rückrunde die selbe Anzahl Gegentore bekommen, wie in der Hinrunde, allerdings selbst 11 Tore mehr geschossen. Dies macht den Unterschied zwischen einem 16. Platz in der Hinrundentabelle zu einem 5. Platz in der Rückrunde aus.4 Es ist Florian Kohfeldt hoch anzurechnen, das Spiel von der eigenen Hintermannschaft zu den Stürmern verlagert zu haben.

Trainerwechsel nach der Länderspielpause

Kurz vor der Winterpause wurde Peter Stöger in Köln entlassen. Sein Nachfolger wurde Stefan Ruthenbeck.

10_1. FC Köln

Der Unterschied springt sofort ins Auge. Während der Spielstil unter Stöger dem einer pressenden Mannschaft entsprach, ließ die Mannschaft unter Ruthenbeck das gegnerische Team eher gewähren. Dies hat die Chancen der Mannschaft auf einen Verbleib in der Bundesliga sicher nicht erhöht. Dementsprechend kritisch wurde die Entscheidung damals beurteilt.5 In Puncto Netzwerkzentralität hat sich der Fokus auf die Führungsspieler unter Ruthenbeck etwas erhöht, aber nicht bedeutend.

Ebenjener Stöger wurde sechs Tage nach seiner Entlassung in Köln als Nachfolger für den geschassten Peter Bosz in Dortmund vorgestellt.

11_Borussia Dortmund

Die Unterschiede der beiden Trainerstile werden sehr schön deutlich. Während Peter Bosz ein extremes, oft zu risikoreiches, Pressing bevorzugt, ließ Stöger, im Vergleich, eher abwartend spielen. Dies zeigt sich in den großen Unterschieden des Unterbindungsindex. Das Problem dieser Dortmunder Saison wird in der Netzwerkzentralität deutlich. Weder Bosz noch Stöger haben es geschafft, die Sturmreihe mit dem Rest der Mannschaft im Spiel mit dem Ball zu verbinden, auch wenn dies unter Stöger etwas besser wurde. Es wird interessant zu sehen sein, wie Lucien Favre dieses Problem in der nächsten Saison angehen wird.

Entlassungen der Rückrunde

Kurz nach der Winterpause wurde im Schwabenland Hannes Wolf durch Tayfun Korkut ersetzt.

12_VfB Stuttgart

Zunächst stark kritisiert, zeigt diese Grafik doch welche gute Leistung Korkut in Stuttgart vollbracht hat.6 Während sich in der Ballbesitzverteilung wenig änderte (im Ballbesitz allgemein natürlich schon), hat sich der Spielstil der Mannschaft gegen den Ball radikal geändert. Zurecht weist der VfB mit 15 Gegentoren die wenigsten der Bundesliga in der Rückrunde auf und spielte sich mit einem zweiten Platz in der Rückrundentabelle beinahe noch auf einen Europa-League-Qualifikations-Platz im Gesamtklassement.

Zum Schluss der HSV. Mit Markus Gisdol in die Saison gestartet, folgte im Januar Bernd Hollerbach, nur um 7 Spieltage später durch Christian Titz ersetz zu werden.

13_Hamburger SV

Während Markus Gisdol eine hohe Netzwerkzentralität und keine besondere Ausprägung beim Unterbidnungsindex aufwies, unterscheiden sich seine beiden Nachfolger doch enorm. Während Bernd Hollerbach den Fokus auf die Arbeit gegen den Ball legt, setzt Christian Titz auf ein Ballbesitzspiel. Titz bevorzugt hierbei besonders technisch stärkere Spieler, die eine gleichmäßigere Ballverteilung überhaupt erst ermöglichen. Gleichzeitig konnte er aber auch kein effektives Pressingsystem installieren, was bei einer solchen Spielweise allerdings auch benötigt wird. Aber zumindest sah so das Spiel des HSV schöner aus. In Bezug auf die angepeilte Rettung über die Relegation kam Titz wohl trotzdem „ein Hollerbach zu spät“.7

Fazit

Die Netzwerkzentralität eignet sich hervorragend, um Unterschiede zwischen den Spielstilen einzelner Mannschaften im Ballbesitz auszumachen. Auch die daraus abgeleitete Kennzahl, der Unterbindungsindex, eignet sich um das Spiel gegen den Ball zu beschreiben. Besonders bei Mannschaften, die in der laufenden Saison ihren Trainer wechseln, ist dies interessant. Diese beiden Kennzahlen treffen allerdings keine Aussagen über die Leistung von Teams. Netzwerkzentralität lässt sich also nicht direkt in Punkte ummünzen.
Unklar bleibt dabei auch die Größe des Einflusses unterschiedlicher Faktoren, also vorrangig ob diese Netzwerkzentralität primär durch Entscheidungen des Trainers oder durch Entscheidungen von Spielern auf dem Feld beeinflusst wird.

1. http://analysemithirn.de/2018/04/15/der-macht-doch-alles-alleine/ (abgerufen am 27.05.2018)

2. Alle Daten von https://www.whoscored.com/Regions/81/Tournaments/3/Germany-Bundesliga (abgerufen am 27.05.2018)

3. https://www.transfermarkt.de/1-bundesliga/trainerwechsel/wettbewerb/L1 (abgerufen am 27.05.2018)

4. Hinrundentabelle: http://www.weltfussball.at/spielplan/bundesliga-2017-2018/hinrunde/ (abgerufen am 27.05.2018)
Rückrundentabelle: http://www.weltfussball.at/spielplan/bundesliga-2017-2018/rueckrunde/ (abgerufen am 27.05.2018)

5. http://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-stoeger-ist-das-opfer-fremder-fehler-1.3775075 (abgerufen am 27.05.2018)

6. https://rp-online.de/sport/fussball/vfb-stuttgart/vfb-stuttgart-fans-haben-ihr-urteil-ueber-tayfun-korkut-schon-gefaellt_aid-17808423 (abgerufen am 27.05.2018)

7. Bohndesliga (Spieltag 30): https://youtu.be/EDNFHfjmEEw?t=1h14m12s (abgerufen am 27.05.2018)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert